Die Basis für einen sicheren Umgang mit dem Pferd und sicheres Reiten bildet für mich die Arbeit am Boden. Hier lernt der Mensch zu führen und sich seiner Körpersprache bewusst zu werden.
Das Pferd lernt die Hilfensignale (eine gemeinsame Sprache) kennen, und kann sich ohne Reitergewicht an eine veränderte Balance in der Reitbahn gewöhnen.
Wenn es dann in den Sattel geht, lernen meine Schüler reiten in 3 Phasen:
1.) oben zu bleiben (ohne festhalten)
2.) nicht stören (reiten ohne Zügelkontakt und ohne festklammern mit den Beinen)
3.) Einfluss nehmen (wir schauen, wie gut wir uns tatsächlich schon fein verständigen können und nutzen dafür die bereits am Boden etablierte Hilfengebung, und lernen immer präziser mit unserem Sitz zu werden)
Ich möchte keine “Draufhocker“ als Reitschüler, sondern echte Pferdemenschen heranwachsen sehen.
Bevor wir in eine Art gymnastizierende Bodenarbeit oder gar Reiten gehen, muss das junge oder unerfahrene Pferd lernen, unserem Schwerpunkt zu folgen.
Wir gehen (mit Kappzaum und Dressurgerte ausgerüstet) neben dem Pferd her, als würden wir es auf die Weide führen. Daraus soll es sich ganz leicht losgehen und anhalten lassen.
Tempounterschiede und Wenden zu mir oder von mir weg sollen ohne viel Aufwand und ohne Ziehen am Kopf möglich sein. Natürlich von links und rechts geführt. Dann gerne auch über Dinge wie Stangen,
Planen oder andere Bodenveränderungen.
Diese Basisarbeit wird uns das ganze Pferdeleben begleiten und verfolgen, wenn es nicht sauber aufgebaut ist.
Hier geht es nicht darum, das Pferd müde zu machen oder Kondition aufzubauen.
Das Pferd (und der Mensch) lernt den Rahmen der Hilfen auf Distanz kennen und umsetzen.
Die Distanz zwischen Mensch und Pferd kann nur so gross sein, wie das Pferd die Hilfen noch interpretieren kann.
Ich longiere immer ohne Hilfszügel!
Oder deutlicher angesprochen: "Hilfs-losigkeits-zügel" (Wortbild von Yve Ehler-Klatte)?
Das Pferd braucht den Hals als Balancestange und soll sagen können, wann die Muskulatur müde wird oder die Balance verlorengeht. Das Pferd wird mit der Ausbildung der Hinterhand sowieso mit der Zeit eine schöne Hals-Kopfposition entwickeln. Das braucht Geduld und kann nicht erzwungen, oder über eine vermeintliche Abkürzung (welche sich schlussendlich als Sackgasse oder Umweg mit Spätfolgen herausstellt) erreicht werden.
Das Pferd ist von Natur aus kein Lasttier!
Damit wir mit (einigermassen) gutem Gewissen reiten können, muss das Pferd eine neue Bewegungsart lernen und die nötige Muskulatur muss trainiert werden.
Das Pferd muss lernen, seine beiden Hebel (Hals/Kopf und Hüft-/Kreuzbein) so einzusetzen, dass das Nacken-Rückenband-System in positiver Weise gespannt wird. Es muss seine Bewegungsmuskeln frei bewegen können. Die Hinterbeine müssen unter den Schwepunkt treten und den Rumpf tragen helfen.
Intrinzen-inspirierte Freiarbeit:
In der Freiarbeit, wo das Pferd über seinen Körper verfügt und ein Nein vom Pferd ernst genommen wird, wächst nicht nur der Körper und der Geist des Pferdes.
Auch der Mensch muss sich wahnsinnig persönlich Weiterentwickeln. :-)
Es geht nicht um unsere Performence!
Das Pferd ist der "Hero" - wir sind nur der Seitenspieler.
Meine Lieblingstools, um den Pferden zu helfen, den eigenen Körper besser kennen und einsetzen zu lernen:
- Freies Spielen mit Targetstick, Poolnudeln und Fahnen
- Balancepads und instabile Untergründe
- Körperbänder
- Wippen
- Zirkuslektionen
Die Freiarbeit baue ich bewusst positiv verstärkt auf, dass heisst, ich clicke und belohne (mit Futter) jeden richtigen Ansatz. Wenn es dem Pferd zu viel wird, wird es trotz des Futterangebotes das Training beenden. So sind die Pferde immer motiviert und wissen auch, dass sie selber abbrechen können, wenn es für sie grad zu viel wird.
Zudem ist die Freiarbeit die perfekte Ergänzung zu der akademischen Arbeit, wo wir doch sehr genau vorgeben, wie sich das Pferd zu bewegen hat.
Balance ist die Voraussetzung für Losgelassenheit. Losgelassenheit ist die Voraussetzung für Formgebung. Formgebung ist die Voraussetzung für Balance. Es ist also ein Kreislauf, kein Treppchen.
- Bent Branderup